Mittwoch, 27. Januar 2010

Sonntag, 30. Dezember 2007

Geld & Geldwirtschaft, Teil 1: Geld, wie es gesehen wird


 Der ganze Beitrag (Teil 1 bis 7) mit Abbildungen kann angefordert werden: S. Mailadresse

Ernst Dorfner



A. Eine Vorbemerkung

Der folgende Beitrag, aufgegliedert in 7 Teile, beschäftigt sich nicht mit den üblichen Themenkomplexen einer freiwirtschaftlichen Geldreform, deren Notwendigkeit und Richtigkeit. Vielmehr soll hier klargelegt werden, dass eine solche Geldreform solange ins Leere gehen muss, wie sie auf unser heutiges Geldsystem angewendet werden. Dessen Strukturen liegen nämlich ganz abseits von den Vorstellungen vom Geld, die alle – einschließlich der Freiwirte – in ihren Köpfen herumtragen.
Wie gezeigt wird, kann sich das vorhandene Geldsystem den von der Freiwirtschaft vorgeschlagenen Institutionen wie der Umlaufsicherung entziehen.

Noch einmal: Es soll hier nicht beurteilt werden, ob eine Umlaufsicherung richtig und notwendig ist. Es geht hier „nur“ darum, ein neues Geldsystem, nämlich das System eines „Vollgeldes“ vorzustellen, das die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Umlaufsicherung schafft.

Damit dieses neue System nun aber jene Konturen erhält, die es aus dem vorhandenen hervortreten lassen, ist vorausgehend eine Klärung in unseren Vorstellungen erforderlich. Geld ist nicht so, wie es üblicherweise gesehen wird. So aber wie es wirklich ist, sieht es kaum jemand. Mit Vollgeld aber schaffen wir dann ein Geld, wie wir es sehen.

Kurz und gut: Wir müssen das Geld erst schaffen, auf das wir die freiwirtschaftlichen Reformvorschläge dann anwenden können.
Bereits Silvio Gesell hat das erkannt.

Die Titel der einzelnen Beiträge sind

Teil 1 : Geld, wie es gesehen wird
Teil 2: Geld, wie es ist
Teil 3: Geld und seine Gläubigen
Teil 4. Das System des Vollgeldes
Teil 5: Ein Exkurs: Wachstum und Konjunkturpolitik heute
Teil 6: Mit Vollgeld auf Wegen in Neuland
Teil 7: Umverteilung oder Ausbeutung?

Eines sei hier noch angemerkt: Um das Wesen des derzeitigen Geldes verstehen zu können, ist es erforderlich, sich mit den Grundzügen der Bilanzbuchhaltung beschäftigen. Andernfalls bleibt so manche Erklärung ein Buch mit sieben Siegeln.



Geld, wie es gesehen wird

B. Geld – ein Ding
Am Anfang ist die Tauschware

Paul A. Samuelson schreibt in seinem Standardlehrbuch: „In allen Kulturen, mit Ausnahme der allerprimitivsten, tauschen die Menschen nicht direkt ein Gut gegen ein anderes. Statt dessen verkaufen sie ein Gut gegen Geld und verwenden dann dieses Geld zum Kauf der Güter, die sie erwerben wollen.“ Samuelson dann weiter: „Statt eines doppelten Zufalls gleicher Bedürfnisse gibt es eher einen Bedarf an Zufall; nur wenn ein hungriger Schneider einen unbekleideten Bauern trifft, der über Nahrungsmittel verfügt und sich Hosen wünscht, können beide einen Handel abschließen. Geld vereinfacht das Wirtschaftsleben.“ (1)
Mit dieser ‘doppelten Koinzidenz’ wird der Vorteil des Geldes erklärt. Und allein bei diesem einzigen Vorteil bleibt es auch. Wobei Geld ganz einfach da ist.

Geld ist in diesem Sinn eine Tauschware, das zwar gebraucht, aber nie verbraucht wird. Als diese Tauschware, so die Vorstellung, wird Geld von einem Wirtschaftssubjekt zum nächsten und wieder zum nächsten im Austausch für eine Verbrauchsware (2) weitergegeben. Also von A zu B zu I zu R zu Z zu B zu G zu X zu A zu .... Diese Tauschware ist genau so selbstverständlich da wie jede andere Ware. Sie wird von irgendjemandem als Ware hergestellt und im Austausch gegen eine andere in Umlauf gebracht. Und da sie dabei nicht verbraucht wird, bleibt sie auch immerfort darin, sofern sie als Ware nicht zurückgehalten wird.

Wird diese Tauschware als Schatzmittel zurückgehalten, so wird der Kreislauf unterbrochen. Daraus entsteht die herkömmliche Vorstellung vom Sparen und Verleihen von Geld: Die Tauschware, also ein Ding, wird gegen einen Vertrag auf Rückgabe zu einem bestimmten Zeitpunkt verliehen und so wieder in den Umlauf zurück geschleust. Die Tauschware wird also gegen einen Vertrag auf Rückgabe zu einem späteren Zeitpunkt ausgetauscht. Eine Verbuchung im Sinne der doppelten Buchhaltung findet dabei dann nicht statt, wenn ein Verleihen ohne Zwischenschaltung einer Bank erfolgt, was ja hier beim Verleihen von Dingen möglich ist.
Wenn aber über eine Bank verliehen - und verbucht - wird, dann steht im ersten Schritt - dem Verleihen des Geldes vom Kunden A an die Bank - dem Geldbetrag auf der Aktivseite der Bankenbilanz auf der Passivseite eine Verbindlichkeit gegen A gegenüber. Das Geld bleibt dabei erhalten.
Die Verbindlichkeit ist hier eine in Geld. Erst im zweiten Schritt, wenn das Geld an C weiterverliehen wird, wird die Verbindlichkeit der Bank bzw. die Forderung des A eine Forderung in Geldvermögen. Dies anzumerken ist wichtig, weil sich hier dann später gegenüber unserem heutigen Geld ein entscheidender Unterschied zeigt

Diese Tauschware ist ursprünglich das Gold – Gold als über die Goldgewinnung produzierte Ware. Diese Vorstellung einer Tauschware bleibt beim Übergang zum Papiergeld erhalten, obwohl man weiß, dass dessen Produktion kaum mehr Kosten verursachen. So ist Geld in der üblichen Vorstellungswelt weiterhin ganz einfach da, so als ob es im Austausch gegen eine andere Ware in den Kreislauf gekommen wäre.

Dieses ‚ganz einfach Da-sein’ von Geld findet sich so bei Helmut Creutz, wenn er schreibt: „In einem Kreis gibt es keinen Anfang und kein Ende. Ein einmal in den Kreislauf gegebener Geldschein kann also endlos kursieren, ganz gleich, wofür er verwendet wird. Machen wir uns das an einfachen Modellen mit fünf Beteiligten klar.
A kauft bei B. – B benötigt das erhaltene Geld nicht und verleiht es an C. – C kauft bei D. – D verleiht es an E, der damit wieder bei A eine Leistung bezahlt. Der umlaufende Geldschein wurde also dreimal zum Kaufen und zweimal zum Verleihen benutzt. Hätte B den erhaltenen überschüssigen Geldschein nicht verliehen, sondern bei sich liegengelassen, so wären die nachfolgenden Vorgänge nicht möglich gewesen. Dieses einfache Beispiel zeigt, welche Gefahren von Geldzurückhaltungen ausgehen.“ (3)

Aus diesem Modell wird erkennbar, was unter Geld, Kredit und Geldumlauf verstanden wird. Dabei werden folgende Voraussetzungen stillschweigend und unhinterfragt immer wieder angenommen:

1. Alle Waren einschließlich der Tauschware Geld werden in einem vorgeldlichen Bereich hergestellt.

Die Fertigung von Waren ist vom Geld nicht abhängig. Eine Vorfinanzierung in Geld ist nicht notwendig.
Die so hergestellten Waren treffen am Markt aufeinander, wo sie vermittels des Geldes getauscht werden.
Die Bereitstellung von neuen Verbrauchswaren nach dem Verkauf der alten bereitet kein zeitliches Problem. Das Warenangebot rückt also sofort wieder nach, so dass mit dem weitergegebenen Geld sofort wieder Waren gekauft werden können.

2. Geld kommt als Tauschware über einen Tauschvorgang in Umlauf.

3. Geld ist ab da als Tauschware, als Ding, einfach immer „da“.

Geld kann so nur verschwinden, wenn die Tauschware missbräuchlich verbraucht (Gold als Schmuck) oder als Schatz aus dem Verkehr gezogen wird.

4. Der Kauf/Verkauf-Vorgang stellt sich als Tauschvorgang dar, bei dem das Ding „Geld“ gegen andere Dinge getauscht wird.

Geld zirkuliert als niemals verbrauchte Tauschware, die gegen eine Verbrauchsware getauscht wird.
Je rascher dieses Geld zirkuliert – so die Vorstellung -, umso mehr kann verkauft werden, umso reicher ist also die Gesellschaft. Der Reichtum der Gesellschaft hängt also nur von einem klaglos funktionierenden Handel ab.
Geldzurückhaltung (Hortung) unterbricht den Geld-Kreislauf und damit den Handel. Weiterverleihen führt das Geld in den Kreislauf zurück.

Unter Sparen wird das Nichtverwenden des Geldes durch den Sparer und dessen Weiterverleihen an einen Kreditnehmer verstanden.

5. Kredit setzt das Vorhandensein von Geld und setzt Ersparnisse in Geld zwingend voraus.

Um Kredite vergeben zu können, müssen die Banken Ersparnisse an sich bringen.
Dazu müssen sie den Sparern Haben-Zinsen zusichern, die sie dann an die Kreditnehmer mit Zuschlag einer Bank-Marge weiterverrechnen müssen.

6. Der Zins kommt erst dann ins Spiel, wenn irgend wo mitten im Umlauf Geld gespart wird und damit Kredite vergeben werden.

7. Um Zinsen bezahlen zu können, müssen die Banken das gesparte Geld an jemanden verleihen, der Zinsen zahlt.

Diese Aussage scheint selbstverständlich und daher entbehrlich. Sie wird aber gemacht, um schon jetzt auf einen entscheidenden Unterschied zum Kreditgeldsystem hinzuweisen.

Dieses Modell beschreibt den mittelalterlichen Handelskapitalismus, nicht jedoch den Produktions- oder Industriekapitalismus der Neuzeit. Doch noch immer prägt es die Vorstellungen rund um das Geld: So irgendwie als Tauschware kommt auch unser heutiges Geld in den Umlauf, bereitgestellt durch die Zentralbank, welche die alleinige Macht zu dessen Bereitstellung hat, so irgendwie funktioniert das alles auch mit dem modernen Geld, dem Sparen und den Krediten. So irgendwie. Geld: Ein A-priori. Doch „nichts genaueres weiß man nicht“.


Anmerkungen:

1. Paul A. Samuelson, Volkswirtschaftslehre, Bd. I, S. 356, Bund-Verlag, 1975
2. Auch die üblichen Gebrauchswaren werden ja mit der Zeit ‚verbraucht’.
3. Helmut Creutz, Das Geldsyndrom, S.52, Ullstein, 1994



Geld & Geldwirtschaft, Teil 2: Geld - wie es ist



C. Geld: Ein Spannungsverhältnis
Am Anfang ist der Kredit

Wenn ich heute im Supermarkt meine Lebensmittel besorge und an der Kasse dann mit der Bankomat- oder mit der Quick-Karte zahle, so wird mir deutlich bewusst, dass ich dabei kein Ding gegen andere Dinge tausche. Es wird allein von meinem Gehaltskonto bei meiner Bank der bezahlte Betrag abgebucht und dieser dem Konto des Supermarktes bei seiner Bank zugebucht. Dabei liegt auf meinem Konto keine bestimmte Summe Geldes in verschiedenen Banknoten, also in Dingen. Ich habe lediglich eine Forderung in besagter Höhe gegen die Bank, festgehalten auf meinem Konto bei der Bank, der buchhalterisch eine gleich große Verbindlichkeit der Bank mir gegenüber gegenübersteht. Beim Bezahlen reduziert sich meine Forderung gegen die Bank, so auch deren Verbindlichkeit mir gegenüber, nicht aber die Gesamtverbindlichkeit der Bank bzw. des Bankensystems. Es wird nur ein Teil der ursprünglichen Verbindlichkeit mir gegenüber in eine Verbindlichkeit gegen den Supermarkt übertragen.
Diese Übertragung äußert sich nur in den Kundenkonten der Banken, nicht aber in der konsolidierten Bilanz der monetären Finanzinstitutionen (MFI). Es ändert sich nichts an der Gesamtsumme der Forderungen und Verbindlichkeiten. Nur die Zuordnung zu den Konten ändert sich.

In dieser konsolidierten Bilanz der MFIs mit Einschluss der Zentralbank scheint nun sämtliches Geld (Bargeld und Giralgeld) und sämtliches Geldvermögen auf der Passivseite als Verbindlichkeiten der Banken gegenüber Gläubigern auf, denen gegenüber auf der Aktivseite Forderungen der Banken gegen Schuldner hauptsächlich in Form von Krediten stehen. Geld und Kredit stehen also zueinander in einem engen Beziehungsverhältnis.

Wir sollten nun bedenken, dass eine Produktion von Waren in unserer Gesellschaft den vertraglich vereinbarten Zugriff auf fremdes Eigentum – und damit das Vorhandensein von Geld nicht erst beim Tausch der Waren voraussetzt. Geld löst bereits das Schuldverhältnis ab, das ursprünglich zwischen dem Produzenten A als Erwerber eines Vorproduktes und dem Produzenten C als Abgeber desselben entsteht.

Dieses Geld erhält A über einen Kredit der Bank B. Der Kredit der Bank B an den Kreditnehmer, den Produzenten A, ist dabei zuerst nur ein gegenseitiges Paar von Forderungen und Verbindlichkeiten: Eine Verbindlichkeit der Bank, (damit eine Forderung des Kreditnehmers), zu zahlen, gleichzeitig aber auch eine Verbindlichkeit des Kreditnehmers (damit eine Forderung der Bank), rückzuzahlen. Noch heben sich die so gebildeten Spannungen gegenseitig auf. Erst wenn die Forderung des Kreditnehmers von diesem auf einen Dritten C, den Lieferanten von Vorprodukten des A, übertragen wird, entsteht ein Spannungsverhältnis.

Die Spannungen heben sich nicht mehr gegenseitig auf. Während das Kreditverhältnis zwischen Kreditnehmer A und Bank B in Form einer Forderung der Bank bzw. einer Verbindlichkeit des Kreditnehmers weiter aufrecht ist, ist die Verbindlichkeit der Bank an den Dritten C in Form einer Forderung gegen diese übertragen worden. A hat nun keine Verbindlichkeit mehr gegenüber C, sondern nur gegenüber der Bank B, C keine Forderung gegen A, aber eine gegen die Bank B. Damit ist „Geld“ entstanden.

Damit ist Geld nicht mehr ein Ding, das alleine für sich besteht. Damit Geld entsteht, bedarf es mehrerer Rechtspersonen: Eines Schuldners der Bank in Person des Kreditnehmers, eines Gläubigers der Bank – der also an diese glaubt, ihr vertraut – und der Bank, die dieses Vertrauen genießt.

Dieses Vertrauen entsteht dann, wenn C diese Forderung gegen die Bank zur Tilgung seiner Kredite, die er vor Beginn der Herstellung des Vorproduktes aufgenommen hat, verwenden kann. Dabei hebt sich die Forderung des C gegen die Bank mit seiner Verbindlichkeit gegenüber der Bank auf. C hat seine Schulden getilgt, das Geld, das er mit seiner Kreditaufnahme geschaffen hat, ist wieder verschwunden, ist vernichtet worden.

Geld existiert also nur in dem Zeitraum zwischen dem Eingehen des neuen und dem Tilgen des alten Schuldverhältnisses. Übrig bleibt nun A als Schuldner. Und zwar mit einer höheren Schuld als C, weil dieser im Preis des Vorproduktes, den A zu zahlen hat, zusätzlich zu seinen Kosten noch Gewinn und Zinsen für den Kredit zurechnet. Diese Schuld des A, der Kredit, äußert sich in der Bankbilanz nun aber nicht als Geld, sondern als Geldvermögen. Geldvermögen entsteht also nicht durch Sparen, sondern durch Verschulden.

Geld ist somit etwas Nicht-Dingliches, das auch verschwinden kann. So wie der elektrische Strom, der zwischen unterschiedlich hohen Spannungspotentialen, zwischen Quelle und einer Senke fließt. Und so wie bei einem Erdschluss das Stromnetz zusammenbricht, verschwindet Geld dann, wenn es zu einem Kurzschluss zwischen Neu- und Altschuldnern kommt. Geld ist also nur solange vorhanden, wie die Fließgeschwindigkeit zwischen Quelle und Senke, den Neu- und Altschuldnern, eine begrenzte ist.

So können wir nun ein erstes Verständnis zusammenfassen:

1. Der Kredit – also Verschuldung – steht am Anfang, weil damit die Produktion in einer Gesellschaft begonnen werden kann, in der das Privateigentum konstitutiven Charakter hat.

2. Geld geht aus dem Kredit der Bank hervor, wobei die Verbindlichkeit gegenüber die Bank (Schuld) beim Zahler (Kreditnehmer, Schuldner) hängen bleibt, während die Forderung gegen die Bank an den Bezahlten („Kreditgeber“, Gläubiger) übertragen wird

3. Hinter sämtlichen umlaufenden Geld stehen Kredite, wobei allerdings die Summe aller vergebenen Kredite wesentlich größer ist als die Summe des umlaufenden Geldes. (Etwa 4: 1 bis 5: 1) (4)

4. Kredite werden durch die Geschäftsbanken aus dem Nichts geschöpft, das heißt, sie haben keine Ersparnisse als Voraussetzung.

Kredite werden idealtypisch durch Unternehmen aufgenommen, um Vorprodukte und Leistungen von Dritten zukaufen zu können. Produzieren setzt also Verschulden voraus.
Geld entsteht dann durch Übertragung der aus einem Kredit resultierenden Forderung des Kreditnehmers gegen die kreditgebende Bank an diesen Dritten bzw. an dessen Bank. Geld in Form täglich fälliger Guthaben ist also eine Forderung des Konteninhabers gegen dessen kontenführende Bank.
Diese Dritten (bei Lohnzahlungen sind es die von Unternehmen bezahlten Lohnempfänger, also die Vierten) können mit diesen Forderungen ihre eigenen Schulden tilgen.
Alte Schulden werden somit durch neue Schulden, alte Kredite durch neue Kredite getilgt. Geld fließt zwischen diesen Neu- und Altschulden.
Das Geschäft der Geschäftsbanken besteht in einem fortdauernden Schöpfen von Neukrediten zur Tilgung der alten Kredite, wobei die Summe der Neukredite stets höher sein muss als die der alten. Die Unternehmer müssen ja zu ihren ursprünglichen Kosten jeweils noch Zinsen und Gewinne zurechnen.
Der Gewinn der Banken wird aus den Kreditzinsen finanziert.

5. Geld ist somit ein Rechtsverhältnis, das zwingend mehrerer Personen bedarf, zwischen denen es „gespannt“ werden kann.

6. Geld ist damit keine Tauschware, kein Ding, das als solches irgendwann einmal hergestellt und gegen ein anderes Ding getauscht worden und seit dem im Kreislauf ist.

7. Da am Anfang der Kredit ist, und Geld aus dem Kredit hervorgeht, fallen somit bereits am Anfang schon bei der Geldbereitstellung Soll-Zinsen (Kreditzinsen) an. Bereits die Geldbereitstellung ist mit Zinskosten verbunden.

Das ist das Neue an unserem heutigen Geld, das ein Geld des Industriekapitalismus ist.


D. Der Umlauf der Schulden
Die Entstehung von Geld und Geldvermögen

Aus diesen Überlegungen wird nun aber auch ersichtlich, dass nicht Geld, sondern Verschuldung – und zwar eine wachsende Verschuldung, damit der Vorschuldner jeweils Gewinne lukrieren und Zinsen zahlen zu können – von Hand zu Hand vorwärts in die Zukunft läuft, wobei die „alte“ Verschuldung durch eine „neue“ Verschuldung abgelöst wird. Womit Geld aber gewissermaßen von den neuen Schulden immer zurück in die Tilgung der alten Schulden läuft. Folglich muss auch immer wieder „neues“ Geld entstehen, um alte Schulden aufzulösen, womit dieses Geld wieder vernichtet wird.

Das Geld bewegt sich also zurück. Und es ist nur solange vorhanden, wie es sich zwischen Start und Ziel bewegt. Mit der Vorstellung einer Bewegung wird nun aber auch deutlich, dass es auch bei dieser Form von Geld so etwas wie eine Fließgeschwindigkeit gibt. Diese Fließgeschwindigkeit würde unendlich groß, wenn der Zeitpunkt der Verschuldung des A mit dem Zeitpunkt der Entschuldung des C praktisch zusammenfällt. Geld verschwindet fast in dem Moment, in dem es entsteht. An seine Stelle tritt „neues“ Geldvermögen anstelle eines „alten“: So wie C von seiner Schuld erlöst wird und an seine Stelle A tritt, steht nun die Verbindlichkeit des A dem Geldvermögensbesitzer an Stelle der von C gegenüber.

Diese Geschwindigkeit muss also eine endliche sein, damit Geld überhaupt vorhanden ist. Und sie wird deshalb eine endliche, weil nahezu alles Geld auch durch die Hände der Haushalte fließt: Diese Fließgeschwindigkeit hat dabei eine obere Grenze, die vom zeitlichen Abstand, also dem Rhythmus abhängig ist, in dem immer wieder eine Neuverschuldung und damit der Einkommenstransfer erfolgt. Damit zusammen aber hängt auch der materielle Output der Produktion, die diesem Einkommen gegenübersteht. Sie bestimmt die mittlere Fließgeschwindigkeit. Auch ein Haushalt kann sein Monatseinkommen nur einmal im Monat ausgeben, unabhängig davon, ob er dies schon in den ersten Tagen macht oder verteilt über den ganzen Monat.

Umgekehrt kann es auch einen Geldstau oder Geldzurückhaltung geben. Dies vor allem
bei der Nicht-Nutzung von Einkommen der Haushalte für den Konsum;
bei den Preisanteilen, die dem Eigenkapital der Unternehmen über die Abschreibung zufließen.

Beim Einkauf von Vorprodukten mittels Fremdfinanzierung verschulden sich die Unternehmen nur soweit, wie sie für die Produkte zu zahlen haben. Die Höhe der Geldschaffung entspricht also der Höhe der Geldnutzung. Das gesamte neu geschaffene Geld fließt so von A rasch zurück zu C, wo es zur Tilgung der Kredite verwendet wird, die für die Herstellung der Vorprodukte benötigt wurden. Die Zeitpunkte der Geldschaffung und der Zeitpunkt der Geldvernichtung fallen fast unmittelbar zusammen.
Bei Lohnzahlungen ist dies jedoch anders. Zwar wird auch hier das neu geschaffene Geld zum Kauf schon früher gefertigter Produkte verwendet, doch fällt hier der Zeitpunkt der Geldschaffung nicht so unmittelbar mit dem Zeitpunkt der Geldnutzung zusammen. Und selbst bei mittleren Einkommen wird dieses nicht kurz- bis mittelfristig zur Gänze verkonsumiert, sondern ein Teil davon nicht ausgegeben. Die Verschuldungs/Entschuldungs-Stafette wird hier eingebremst bis teilweise unterbrochen.

Ähnliches kann mit dem Geldeinkommen der Unternehmen geschehen, das dem Eigenkapital zufließt. Auch dieser Anteil im Preis der Produkte muss durch Geldschaffung vom Käufer bereitgestellt werden, doch muss er nicht zwangsläufig zur Tilgung alter Schulden verwendet, sondern kann auch für eine spätere Neuanschaffung zurückgelegt werden.

Diese Nichtnutzung von vorweg geschaffenen Geld bezeichnen wir
als Horten, wenn die Forderungen auf den Giralgeldkonten einfach stehen bleiben;
als Sparen, wenn diese Einkommensteile nicht einfach am Giralgeldkonto stehen bleiben, sondern eine längerfristige Veranlagung mit der Bank vereinbart wird.

Beim Horten wird die Fließgeschwindigkeit am Geldkonto zu Null. Es kommt dabei zu keiner Verringerung der Giralgeldmenge, jedoch zu einem Inaktiv-werden eines Teiles davon.


Anmerkung:

Für Österreich beträgt die Geldmenge M3 (Geld plus geldvermögen) beträgt für 1997/98/99 : 127,8 / 131, 9 / 138,0 Mrd. Euro; davon die Geldmenge M1 (Bargeld plus tägl. fällige Guthaben): 46,9 / 51,3 / 55,8 Mrd. Euro. Aus: Geschäftsbericht der Österr. Nationalbank 1999, Tab. 14*



Geld & Geldwirtschaft, Teil 3: Geld und seine Gläubigen



E. Sparen: Eine Vernichtung von Geld

Wofür Zinsen bezahlt werden

Was aber passiert nun bei diesem Sparen, wo ja hier kein Ding zur Weitergabe an die Bank übergeben wird und dieses in ihren Bestand übernimmt?

Die Bank tauscht die täglich fällige Forderung, also Giralgeld, gegen eine Forderung mit vereinbarter Laufzeit oder Kündigungstermin, also in eine Forderung auf Geldvermögen. Sie nimmt damit die Forderung des Kunden gegen die Bank an sich, womit sich nun auch die Verbindlichkeit in eine gegen sich selbst verwandelt. Forderung und Verbindlichkeit heben sich so gegenseitig auf: Geld in Form von Giralgeld ist vernichtet worden. An die Stelle der Forderung auf Geld ist die Forderung auf Geldvermögen getreten, der eine Verbindlichkeit der Bank in Geldvermögen gegenübersteht.
Ähnlich, wenn auch komplexer, ist das mit Bargeld. Wir wollen dem hier aber aus praktischen Gründen nicht weiter nachgehen, da die Bedeutung von Bargeld im Verhältnis zur Gesamtgeldmenge – wie gezeigt – immer mehr zurückgeht.

Damit aber können wir nun behaupten, dass Sparen von Geld nichts anderes bedeutet als Vernichtung von Geld durch die Geschäftsbanken, wobei an dessen Stelle nun Geldvermögen tritt. Geld entsteht erst wieder durch Rückverwandlung von Geldvermögen in Geld, also in täglich fällige Guthaben, oder – unabhängig davon - durch Aufnahme von Krediten bei den Geschäftsbanken, die diese aus dem Nichts schöpfen.

Es gilt also zu bedenken:

1. Sparen bedeutet im heutigen System Austausch von Geld gegen Geldvermögen und damit letztlich Geldvernichtung, so dass die Kreditvergabe immer mit einer Neuschaffung von Geld verbunden ist. Der Kredit ist also keine Weitergabe des gesparten Geldes.

Damit aber stellt sich nun die Frage, warum sich die Geschäftsbanken um Spareinlagen bemühen und hierfür Zinsen zahlen, wenn sie dieses Geld dann vernichten.
Warum tun sie – so der Schein – derart Unvernünftiges?

Eine hypothetische Antwort ist: Sie haben dies wohl alles erkannt, wollen nun aber nicht kundtun, dass sie die Kredite aus dem Nichts schöpfen und dafür keine Habenzinsen zu zahlen haben. Und deshalb auch die Mär aufrecht erhalten müssen, der zufolge das Sparen die Voraussetzung für die Vergabe von Krediten ist.
Die andere Antwort könnte einfach sein: Sie durchschauen die Sachlage nicht.
Beide Antworten scheinen fragwürdig – und dennoch ist dies nicht auszuschließen. Sie tun dies, weil sie es schon immer so getan haben.
Dies scheint wenig glaubhaft – und hat dennoch eine deutliche Spur von Richtigkeit in sich. Denn es gilt etwas recht labiles, zerbrechliches aufrecht zu erhalten: Glaube, Gläubiger, Kredit, io credo in ...; Vertrauen spielt beim Thema Geld eine bedeutsame Rolle.
Wenngleich nun aber dieses Verhalten auch stark aus dem Emotionalen kommt, so muss es als allgemeines Verhaltensmuster doch auch rational nachvollziehbar sein.

Aus entwicklungshistorischer Sicht gesehen, ist es zu Zeiten eines Warengeldes, also von Edelmetallgeld, doch wohl so, dass das Verhalten des Einzelnen darauf ausgerichtet ist, dieses Geld faktisch in Händen oder direkter Verwahrung zu haben, zu besitzen. Mit der Verleihung von Geld an einen Anderen und insbesondere an einen Geldverleiher wird dann der handfeste Besitz gegen ein eher flüchtiges Versprechen hingegeben. Um diesen Schritt zu tun, ist es also erforderlich, eine mentale Hürde zu überwinden. Mehr zurück zu bekommen als hingegeben wurde, dient als Anreiz für diesen Schritt. Mit der Zahlung von Zinsen geht so die Bildung von Vertrauen in Versprechen und damit in die Banken einher. Noch immer ist Giralgeld als Zahlungsversprechen der Bank für viele, vor allem ältere Menschen, etwas nicht ganz Geheures. Bankleute können immer noch erzählen, dass vor allem ältere Leute diese Sicherheit des körperlichen Habens von Geld noch immer brauchen. Da wird der zum Ultimo auf ein Bankkonto überwiesene Gehalt oder die Pension gleich am nächsten Tag bar zur Gänze abgehoben, kontrolliert, ein Teil für den täglichen Gebrauch mit nach Hause genommen und der Rest auf ein Sparbuch eingezahlt. Da muss die Rückzahlung einer Leihsumme in Cash erfolgen.
Wie sehr für viele Geld noch immer allein Bargeld ist, wird ja gerade auch an diesem Beitrag klar, in dem es darum geht, dieses Verständnis selbst Menschen auszureden, die sich mit dem Thema „Geld“ theoretisch beschäftigen.
Die Nutzung von Giralgeld – also Forderungen auf Geld – setzt diese Vertrauensbildung, wie sie jeder mit dem einfachen Sparbuch erlernt, irgendwie immer noch voraus. Der Zustand ist hier noch immer labil und bedarf der ständigen Pflege. Rasch kann dieses Vertrauen zusammenbrechen und in einen Run auf Bargeld ausarten.

Wenngleich nur mehr rd. 20 Prozent der Geldmenge auf das Bargeld entfällen (5), so gilt es doch festzuhalten, dass dieses mehrheitlich in den Händen der privaten Haushalte ist. Abgesehen von der Nutzung von Bargeld im kriminellen Bereich, erfolgt ja die Geldhaltung der Zahlungsverkehr von Unternehmen zu Unternehmen oder vom und zum Staat bis hin zwischen all diesen und den Haushalten faktisch zu 100 Prozent bargeldlos.
Noch immer gilt es also vor allem im Bereich der privaten Haushalte, also der breiten Bevölkerung, jenes Vertrauensklima aufrecht zu erhalten, das nicht auf eine Geldhaltung in Bargeld bereits kurzfristig, aber vor allem langfristig zurückgreift. Um jene Misstrauensbarriere überwinden, die mit dem „Aus der Hand geben von Bargeld“ verbunden ist, dient noch immer das zinsentragende Sparbuch als erster Lernschritt.

Fazit: Die Geschäftsbanken zahlen also etwas dafür, um die Nutzung von Bargeld sowohl im täglichen Zahlungsverkehr als auch bei der längerfristigen Haltung von Geld als Ersparnis oder Reserve zu vermeiden. Denn für die Inanspruchnahme von Bargeld, also Zentralbankgeld, müssen ja die Geschäftsbanken Zinsen an die Zentralbank zahlen. Die Höhe dieser Zinsen ist aber wieder von der Menge des beanspruchten Bargeldes abhängig, wie die wiederkehrende Auktion von Zentralbank-Geld vermittels des „Tenders“ der Zentralbank zeigt. (6) Ein Halten von Ersparnissen und Reserven in Bargeld würde diese Zentralbank-Zinsen mit großer Wahrscheinlichkeit ganz entscheidend hinauftreiben und den Geschäftsbanken teurer zu stehen kommen als die Zahlung von Einlagezinsen. Insofern zahlen die Geschäftsbanken Zinsen, um ein Horten von Bargeld zu vermeiden, so wie sie kostengünstig ihre Dienste bei den täglichen bargeldlosen Transaktionen anbieten , um hier die Inanspruchnahme von Bargeld möglichst gering zu halten.

2. Die Geschäftsbanken zahlen Zinsen für Spareinlagen, um damit das längerfristige Halten von Zentralbankgeld (Bargeld) als Ersparnis oder Reserve hintan zu halten, welches sie höhere Zentralbank-Zinsen kosten würde als die Verzinsung von Einlagen in Form von Geldvermögen.

Nun wurde weiter oben (Teil 2, Anm. 4) schon festgehalten, dass die Summe der Kredite für Investitionen (ident mit der sgn. Geldmenge M3) wesentlich größer ist als die gesamte Geldmenge (Bargeld plus Giralgeld). Mit neuen Krediten entsteht aber immer wieder Geld. Würde so nun Geld nicht immer wieder in Geldvermögen verwandelt, stünde den Krediten auf der Aktivseite der Bankbilanz nur Geld auf der Passivseite als Verbindlichkeit gegenüber. Geld in einem weit über die erforderliche Nachfrage bei stabilem Preisniveau hinausgehendem Maß, das einerseits die Gefahr einer inflationären Geldschwemme darstellt, das aber auf der anderen Seite auch mit dem weiter oben dargestellten potentiellen Verlangen nach Bargeld als Sicherheitsreserve droht.
So bemühen sich die Banken schon aus Eigeninteresse, die „Goldene Bankregel“ - langfristigen Verbindlichkeiten sollen auch langfristigen Forderungen gegenüberstehen - einzuhalten. Oder mit anderen Worten: Geld laufend in verzinsliches Geldvermögen zu verwandeln, also auf der Passivseite der Bankbilanz an Stelle von täglich fälligen Verbindlichkeiten solche zu halten, die in erst in Zukunft fällig werden. Insofern muss also jeder Kredit durch eine Geldeinlage gedeckt sein.

3. Die Banken vernichten Geld, indem sie es in Geldvermögen verwandeln, um das Zuviel an Geld, das mit neuen Krediten entsteht, abzuschöpfen und so das damit bestehende Unsicherheitspotential zu beseitigen.

Diese Sicht der Dinge hinsichtlich der Geldeinlagen ist nun keine ganz andere als die herkömmliche, die besagt, dass die Geschäftsbanken Geld sammeln müssen, um Kredite vergeben zu können. Sie steht „nur“ spiegelverkehrt zu dieser. So wie sich die Berge im spiegelglatten Bergsee spiegeln – und wir nachher auf der Fotografie nicht mehr wissen, was oben und was unten ist.

4. Im Geldwesen hat sich allmählich und unbemerkt eine solche innere Wandlung vollzogen, die den Banken ermöglicht, die alten Handlungsmuster so fortzusetzen, als ob sich nicht gerändert hätte.

Was den Geschäftsbanken damit nun aber auch gelingt, ist eine weitgehende Abkopplung von der Zentralbank.

5. Die Geschäftsbanken benützen die Zahlung von Einlagezinsen (Habenzinsen) auf Geldeinlagen, um sich damit der Kontrolle durch die Zentralbank zu entziehen.

Dies ist den Geschäftsbanken auch sehr weitgehend gelungen, wie bereits weiter oben festgehalten wurde. Also: Nicht die Zentralbank hat die Geschäftsbanken frei gelassen, sondern haben sich letztere selbst frei gemacht. Diese Freiheit nutzen sie wiederum, um sich der Zentralbank als „Glaubensinstitution“ zu bedienen.

6. Die Höhe der von den Geschäftsbanken bezahlten Habenzinsen ergibt sich aus einem Konkurrenzverhältnis zu den Zentralbank-Zinsen und wird so nicht durch straffe strukturelle Bedingungen festgelegt.

7. Leisten können sich die Banken die Finanzierung der Zinsen nicht zuletzt deshalb, weil in ihren Händen nun mit der Fähigkeit der Kreditschöpfung auch die Fähigkeit der Bereitstellung von Geld liegt, bei der bereits Zinserträge anfallen.


F. Die strukturelle Ohnmacht der Zentralbank
Die Gläubigen der Geldkirche

Die Überlegungen unter Punkt E. zeigen ein starkes emotional unterlegtes Verständnis von Geld: Geld als handfestes Ding.

Demgegenüber steht das unter Punkt C. und D. besprochene rationale Verständnis von modernem Geld als eine Information über das jeweilige Verhältnis entweder als Gläubiger oder als Schuldner seiner kontenführenden Bank. Und da es beim Bezahlen um nichts anderes wie um die Tilgung von Schulden geht, braucht es nicht eines Dinges, sondern genügt die Information über Veränderungen auf dem Konto der Bank. So ist es unerheblich, ob mit Banknoten oder irgend etwas anderem bezahlt wird, womit die Banken über diese Veränderung informiert werden. Bargeld ist also heute eine reine Oberflächenerscheinung, eine umständliche Verpackung ohne konstitutiven Einfluss auf den Inhalt. Was bargeldlos über elektronische Datenvernetzung erfolgt, setzt sich bei Bargeldbezahlung als Behebung von Bargeld und Abbuchen des behobenen Betrages vom eigenen Konto, und nach Bezahlung als Einzahlen von Bargeld und Zubuchen auf das andere Konto dar.
Wenn heute jemand sagt, er habe Geld, dann meint sie(er) damit, dass auf ihrem (seinem) Konto eine schwarze Zahl steht – und nicht, dass er zuhause eine Truhe voll Banknoten hat. Und doch ist diese Vorstellung des wohlgefühlten Tresors noch tief in uns verankert.

Dass Bargeld oder Zentralbankgeld nicht konstitutiven Charakter hat, wird aus der konsolidierten Bilanz der MFIs erkennbar. Dieses Bargeld findet sich dort nur in Spuren auf der Aktivseite, aber nahezu zur Gänze auf Seite der Passiva neben den täglich fälligen Guthaben, also dem Giralgeld. Diesem Giralgeld steht das Bargeld also nicht gegenüber, baut Giralgeld also nicht auf dem Zentralbank-Geld auf, sondern ist dieses Zentralbank-Geld neben dem Giralgeld noch im Umlauf. Rund 20 Prozent Zentralbank-Geld neben 80 Prozent Giralgeld. Tendenz für Bargeld weiterhin sinkend. (5)

Der Vorgang, den wir als Schöpfung von Kreditgeld bezeichnen, geht also immer mehr in die Hände der Geschäftsbanken über, die aber dazu Partner brauchen: Da Geld mit Verhältnissen zu tun hat, brauchen die Banken ein Gegenüber: Jemanden, der Kredite aufnimmt, jemanden, der sich verschuldet. So wie ein Seil, das auch nur zwischen zwei Fixpunkten gespannt werden kann. So ist auch die Macht der Geschäftsbanken hinsichtlich der Steuerung der Geldmenge eine beschränkte. Sie ist abhängig von der Kreditaufnahme-Bereitschaft der Unternehmen, die wiederum von deren Vertrauen in die zukünftigen Erwartungen (Keynes) abhängt.

Da nun aber der Zentralbank nur Kreditgeschäfte mit den Geschäftsbanken, nicht aber mit den Nichtbanken machen darf, ist ihre Steuerungsmöglichkeit der Geldmenge noch weiter reduziert. Sie hat wenig rechtlich-strukturelle Möglichkeiten, eine Kontrolle über die umlaufende Geldmenge auszuüben – und diese Möglichkeiten werden immer geringer.

Wir betrachten dazu die Möglichkeiten der Zentralbank, ihr Zentralbankgeld, also Bargeld, in Umlauf zu bringen. Zusätzliches Bargeld fließt dabei über
- eine Wechselrediskontierung in Form eines Zentralbankkredites oder
- ein Wertpapier - Pensionsgeschäft
an die Geschäftsbanken und von diesen gleichfalls über Kredite an die Nichtbanken (Unternehmen, Haushalte, Staat). Wobei die Verzinsung bei ersterem über den Abzug eines Agios und bei zweiterem durch Aneignung der Verzinsung der Wertpapiere für die Dauer der „Pension“ erfolgt.

Das aber heißt, dass die Geschäftsbanken diese Wechsel und Wertpapiere, die sie nun für die Bereitstellung von zusätzlichem Bargeld an die Zentralbank abtreten, schon haben müssen. Sie haben also bereits Kredite „aus dem Nichts“ vergeben, bei denen sie jene Wechsel oder Wertpapiere als Sicherstellung hereingenommen haben.
Nur so ist ja auch das Teil-Reserve-System möglich, in dem nur ein Teil des aus den Krediten hervorgehenden Geldes mit Bargeld gedeckt ist. Neue, zusätzliche Kredite werden aus dem Nichts geschöpft und nur ein Teil von ihnen später dann mit Bargeld hinterlegt.

1. Zentralbankgeld kommt erst über die Abtretung von Wertpapieren oder Wechsel von den Geschäftsbanken an die Zentralbank in Umlauf. Da Wertpapiere und Wechsel nur über Kreditvergabe in die Hände der Geschäftsbanken kommen, muss der Kredit der Geschäftsbanken dem Zentralbankgeld voraus gehen.

Aus all dem sollte ersichtlich werden, dass die Zentralbank die Möglichkeit der Steuerung des Geldwesens, die man glaubt, bei ihr finden zu können, real nicht hat. Es ist dies vielmehr ein Glaube. Ein Glaube an das Bargeld als Ding, so wie unter Punkt E besprochen. Und dieser Glaube – und nicht die rational-rechtliche Struktur - ist es, welcher der Zentralbank einen Einfluss verschaffen. (7) Nicht die rationale Erklärung von Zusammenhängen zeichnen einen Zentralbankchef aus, sondern die gleichsam priesterliche Verbreitung von Glauben und Vertrauen. Insbesondere die US-amerikanische Zentralbank, die Federal Reserve, repräsentiert durch die Persönlichkeit eines Alan Greenspan, hat hier großen psychologischen Einfluss. Seine Bemerkungen dienen in einer Welt der Gläubigkeit als Ansage, nach der sich der Boulk der Geldspekulanten deshalb ausrichtet, weil alle glaube, dass sich fast alle danach ausrichten – was sich dann in Form der Self-fullfilling prophecy auch als zutreffend herausstellt.

2. Der Zentralbank ist damit ein Einfluss sowohl auf die Geldmenge wie auch auf die Zinsen nur so lange möglich, wie das Allerheiligste, die Wandlung, gleichsam wie in der orthodoxen Kirche hinter einer Ikonosthase vor sich geht. Dem entgegen wirkt eine immer weiter laufender Säkularisierungsprozess der Geschäftsbanken, der sie aus der Abhängigkeit von der Zentralbank immer weiter befreit, ohne dabei den Geldglauben restlos zu zerstören.


Anmerkungen

5. Geschäftsbericht 1999 der Österr. Nationalbank, Tabelle 14*: Für 1997/98/99: Geldmenge M1 gesamt: 46,9/ 51,3/ 55,8 Mrd. Euro, davon Bargeldumlauf: !0,5/ 10,3/ 11,2 Mrd. Euro bzw. täglich fällige Guthaben (Giralgeld): 36,5/ 40,9/ 44,6 Mrd. Euro. Ähnlich für gesamten Euro-Raum lt. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, II, Bankstatistische Gesamtrechnung, 2. Konsolidierte Bilanz der MFIs: Dez.1998/99: Bargeldumlauf (ohne Kassenbestände der MFIs, ca. 10%) : 323,4/ 349,6 Mrd. Euro, täglich fällige Guthaben (Giralgeld): 1383,4/ 1541,1 Mrd. Euro
6. Im Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) dient der „Tender“ als Hauptrefinanzierungsmöglichkeit der Geschäftsbanken mit Zentralbankgeld. Dabei handelt es sich im wesentlichen um die Auktion von Zentralbank-Geld, das den Banken im Rahmen eines Pensionsgeschäftes oder eines Pfandkredites angeboten wird. Das ESZB kann zwischen einem Mengentender (Festsatztender) und einem Tender mit variablen Zinssätzen (Zinstender) wählen. Bei einem Mengentender gibt die ESZB den Zinssatz vor, die Teilnehmer (Geschäftsbanken) geben Gebote über den Betrag ab, den sie zu diesem Festsatz kaufen bzw. verkaufen wollen. Bei einem Zinstender geben die Teilnehmer Gebote über Beträge und Zinssätze ab,.. Aus: Österr. Nationalbank, Geld & Währung, Gängige Begriffe ..., 2. Auflage, 1999
7. Die Schwäche des Euro gegenüber dem US-Dollar und die geringere Wirkung der Zinspolitik der EZB könnte demzufolge auch im derzeitigen Noch-Fehlen des Euro-Bargeldes liegen.

Geld & Geldwirtschaft, Teil 4: Vollgeld



.“G. Der Jolly Joker der Geldmacher
Über die Macht der Geschäftsbanken

Fassen wir zusammen:

Auch wenn die Fähigkeit der Geldschaffung immer mehr zu den Geschäftsbanken hin sich verschiebt, so haben diese nicht die alleinige Macht, die Geldmenge beliebig zu steuern. Da diese über die Kreditaufnahme bzw. - rückzahlung gesteuert wird, brauchen die Geschäftsbanken dazu einen Partner in Person der Unternehmen, der Haushalte und des Staates. Es hängt an deren Verschuldungsbereitschaft, wieviel Geld vorhanden ist. Es hängt aber auch von der Fähigkeit der Geschäftsbanken ab, Geld in Geldvermögen zu verwandeln. Dies deshalb, weil ihre Geldschaffung und ihre Vermittlung von Geldvermögen in einer Hand bzw. in einer Bilanzbuchhaltung zusammenfließen.

Den Schulden von Wirtschaft, Haushalten und Staat auf der Aktivseite stehen auf der Passivseite gegenüber: Geld in Form von Bargeld und täglich fälligen Guthaben einerseits und andererseits Geldvermögen in Form von längerfristig gebundenen Guthaben (Termingelder) bzw. anderen Anlageformen.
Es steht nun in der Macht der Geschäftsbanken, bei gleichbleibendem Gesamtwert das relative Verhältnis zwischen beiden zu verändern – und kommt es in Zeiten realwirtschaftlicher Wachstumsschwächen durchaus zu Verschiebungen zugunsten des verzinslichen oder ertragsbringenden Geldvermögens. Dabei sind die Banken nicht unbedingt gezwungen, auch jemand zu finden, der dieses nun in Geldvermögen umgewandelte Geld ertragsbringend anlegt. Dies deshalb, weil die Banken auch in Zeiten mangelnder Investitionsbereitschaft in der Realwirtschaft in der Lage sind, Zinsen zu bezahlen bzw. den Vermögenskonten gut zu buchen, weil:

sie mit der Fähigkeit, Kredite – und damit Geld - aus dem Nichts zu schöpfen einen Jolly Joker damit ausspielen können, dass der Einlage von Geld bereits die Vergabe eines Kredites aus dem Nichts vorauseilt, mit dem Giralgeld erst geschaffen wird. Damit eilt der Lastbuchung von Zinsverbindlichkeiten bei Einlegen des Geldes das Gutbuchen von Zinsforderungen durch den ursprünglichen Kredit voraus.

das Verschuldungs / Entschuldungs-Spiel über Investitionen auf den Finanzmärkten weitergespielt wird;

Zudem werden Teile des Geldvermögens (Spareinlagen, längerfristig gebundene Einlagen) in Finanzvermögen umgeschichtet, womit ein Teil der Zinsaufwendungen wegfallen, ohne dass dadurch die Fähigkeit der Gewährung von Krediten geschmälert wird.

die Altschulden nicht getilgt werden können und auf diese weiterhin Zinsen anfallen, solange es keine Neuverschuldung in der Wirtschaft gibt.

Hier kann es allerdings zu Schwierigkeiten dann kommen, wenn die wachsenden Schulden nicht mehr besichert werden können. Damit die so entstandene Vermögens /Schuldenblase nun aber nicht in sich zusammenfällt, ist man bemüht, die buchhalterische Bewertung des Unternehmens über die Finanzmärkte hinaufzutreiben, was aber andererseits zu einem Anstieg des Kurs/Gewinn-Verhältnisses führt.
Das Spiel auf den Finanzmärkten dient somit auch dazu, in diese Schuldblase immer wieder warme Luft zu pumpen, um sie so gespannt zu halten und ihr immer wieder Auftrieb zu verleihen.

Daraus ergibt sich die Einsicht, dass Geld nicht nur dann nicht nachfragewirksam genützt werden kann, wenn es gehortet wird, sondern auch dann, wenn es gespart. Eine Umlauf-sicherung kann also im derzeitigen Geldsystem wirksam unterlaufen werden.

Auf den Finanzmärkten fließen zweifellos große Geldsummen. Es ist aber in Zweifel zu ziehen, dass diese Gelder von den Finanzmärkten auf die Realgütermärkte umgelenkt werden können.
Trotz aller Kritik an den Finanzmärkten ist ja zu bedenken, dass es eine vielleicht letzte Spielart im derzeitigen Geldsystem ist, wo sich jemand verschuldet, um eben auf diesen Märkten zu investieren – und um so Geld zu schaffen. Die verlangte demokratische Kontrolle der Finanzmärkte bzw. die Tobinsteuer könnte jedoch dazu führen, dass das Interesse an diesem Spiel verloren geht. Wer also nicht blind in diese Falle gehen will, sollte sich kritisch mit den hier besprochenen Gegebenheiten auseinandersetzen.


H. Vollgeld
Alles Geld schafft die Zentralbank

Deutlich ist ja zu sehen, dass die Zentralbanken die ihnen zugedachte Macht der Steuerung der Geldmenge und deren Umlauf derzeit nicht haben. Was also hier demokratisiert werden kann, ist die Ohnmacht der Zentralbank. So bleibt für die politische Arena nur das Spielen mit Standortvorteilen der unterschiedlichsten Art, solange die Frage einer Neuordnung unseres Geldwesens als ein politisches Tabu betrachtet wird.

Wer von der Zentralbank entsprechende Einflussnahme erwartet, muss ihr also die Macht erst einmal gegeben, die sie angeblich schon hat. Das aber heißt, dass die Schaffung von Geld in jedweder Form wieder das alleinige Recht der Zentralbank wird.

Joseph Huber (8) hat sich darüber ausführlich Gedanken gemacht und ein Konzept entwickelt. Im Gegensatz zum heutigen Teilreservesystem, in dem nur Zentralbankgeld (Noten und Münzen) rechtlich Geld sind, die täglich fälligen Guthaben jedoch nur Forderungen auf Geld, die mit einer sehr niedrigen Zentralbankgeld-Reserve hinterlegt sind, spricht er vom System eines Vollgeldes.
Dieses wird ausschließlich von der Zentralbank emittiert in Form von Banknoten, Münzen und auch Buchgeld. Letzteres ist dabei nun keine Forderung auf Geld mehr, sondern so wie Banknoten vollwertiges Geld. Buchgeld (9) wird auf eigenen Konten der Geschäftsbanken verwaltet, die aber nicht mehr in die Bankenbilanz eingehen.
Damit wird eigentlich nur das in die Tat umgesetzt, was allgemeine Vorstellung ist. Die Zentralbank schafft das Geld, während die Geschäftsbanken Ersparnisse sammeln und in Form von verzinslichen Krediten weitergeben.

Das heutige Geldreservesystem wird in ein Vollgeldsystem umgewandelt. Dieses Vollgeld gibt es in Form von Banknoten und Münzen, aber auch (und mehrheitlich sogar) in Form von echtem Buchgeld.

Zusammengefasst sind folgende Änderungen notwendig :
· Das Recht der Emission dieses Vollgeldes hat ausschließlich die Zentralbank. Neben diesem Vollgeld gibt es kein anderes Geld. (10)

· Dabei werden Girokonten zu Geldkonten: Das, was am Konto steht, ist keine Forderung mehr auf Bargeld, sondern ist auch in Form von Buchgeld vollwertiges Geld.


· Diese Buchgeldkonten bei den Geschäftsbanken gehen nicht mehr in die Bankbilanz ein. Die Bank verwaltet nur das bei ihr „lagernde“ Buchgeld wie ein Depot.

Auf diese Buchgeldkonten hat nur der Konteninhaber Zugriff, nicht aber die Geschäftsbank. Eine Übertragung des Konteninhalts (Ersparnis) an einen anderen in Form eines Kredits ist nur durch Beauftragung des Konteninhabers möglich.

Dabei überträgt der Inhaber des Buchgeldkontos den gesparten Beitrag auf ein Buchgeldkonto der Geschäftsbank und erhält dafür eine Gutschrift auf seinem Sparkonto bei der Bank. Die Bank kann nun aber dieses Geld nicht vernichten, so wie im derzeitigen System. Sie hält ja damit keine Forderung gegen sich, die sie mit ihrer Verbindlichkeit ausgleicht, sondern eine Forderung gegen die Zentralbank, der eine Verbindlichkeit derselben gegenübersteht. Die Geschäftsbank kann das Geld erst dann in Geldvermögen verwandeln, wenn sie einen Investor gefunden hat, der sich verpflichtet, den Kredit zu einem spätern Zeitpunkt rückzuzahlen.
Das aber heißt, die Geschäftsbank kann Vollgeld genau so wenig verschwinden lassen bzw. einfach in Geldvermögen verwandeln wie dingliches Geld (s.unter B)

Daraus folgt:

Den Banken ist eine eigene Kredit- und Giralgeldschöpfung nicht mehr möglich. Die Tätigkeit der Geschäftsbanken beschränkt sich so auf die Verwaltung der Geldkonten einerseits und auf die Vermittlung von Krediten andererseits.
Kredite können entweder auf Basis von Ersparnissen (Kundeneinlagen) oder durch Kreditaufnahme bei den Zentralbanken zur Verfügung gestellt werden.
Da die Geschäftsbanken jetzt Sollzinsen auf Einlagen nur dann zu zahlen vermögen, wenn sie diese in Form von verzinslichen Krediten weitergeben können, bestimmt sich die Höhe der Zinsen nun erstmals über Angebot und Nachfrage. (15)
· Die Bankenbilanz enthält damit nur Forderungen gegen Kreditnehmer und vice versa Verbindlichkeiten gegenüber den Einlegern (Sparern) bzw. gegenüber der Zentralbank.
Die Versorgung der Wirtschaft und Gesellschaft mit Geld liegt damit allein in den Händen der Zentralbank.

Anzumerken ist, dass dieses Geld auch in Form von Buchgeld wieder dinglichen Charakter erhält, da es nicht mehr vernichtet werden kann. Kredite werden nicht mehr neugeschöpft, sondern wird dabei im Regelfall gespartes Geld weitergegeben. Wie bereits eingangs beschrieben, ergeben sich dabei Buchungsvorgänge wie beim Warengeld. Im ersten Schritt, dem Verleihen des Geldes vom Kunden A an die Bank, steht dem Geldbetrag auf der Aktivseite der Bankenbilanz eine Verbindlichkeit gegen A gegenüber. Das Geld bleibt erhalten. Die Verbindlichkeit der Bank ist eine in Geld. Erst im zweiten Schritt, wenn das Geld an C weiterverliehen wird, wird die Verbindlichkeit der Bank bzw. die Forderung des A eine Forderung in Geldvermögen.

Soweit ist die (Wieder)Herstellung eines Geldes gediehen, so wie es alagemein gesehen wird.


Anmerkungen

8. Ausführlich in: Joseph Huber, Vollgeld, Beschäftigung, Grundsicherung und weniger Staatsquote durch eine modernisierte Geldordnung, Duncker & Humblot, 1999, S. 259ff
9. Huber unterscheidet Buchgeld vom Giralgeld. Während ersteres vollwertiges Geld ist, ist Giralgeld nur eine Forderung auf Geld in Form täglich fälliger Guthaben, also ein Verrechnungskonto.
Das allgemeine Geldregal als grundlegende währungspolitische Befugnis könnte für die EZB folgendermaßen lauten:
„Artikel 16: Geldausgabe: Die Europäische Zentralbank hat in den Staaten der Währungsunion das ausschließliche Recht, Geld als Bargeld in Form von Banknoten und Münzen sowie als Buchgeld zur Verwaltung auf Geldkonten und Geldkarten auszugeben. Die von ihr ausgegebenen Geldeinheiten sind die einzigen gesetzlichen Zahlungsmittel: Sie lauten auf Euro

Geld & Geldwirtschaft, Teil 5: Wachstum und Konjunkturpolitik



I. Kapitalismus: Eigentum auf das Spiel setzen
Risiko und Gewinn: Ohne Gewinnaussicht kein Risiko

Es sind immer mehr die Geschäftsbanken, die verzinsliche Kredite schöpfen und damit das Geld hervorbringen.

1. Neben der Schaffung von Gütern und Leistungen ist bereits die Schaffung von Geld immer mehr ein profitorientiertes Geschäft der Geschäftsbanken durch Schöpfung von Krediten aus dem Nichts.

Die Folgen wiegen schwer, ist doch Geld eines – wenn nicht das – zentrale Steuerungs- und Kommunikationsinstrument nicht nur der Wirtschaft, sondern der ganzen Gesellschaft. Doch was sind die Voraussetzungen für die Entstehung von Geld?

2. Kein Kredit ohne Verschuldung, das heißt, kein Kredit ohne „Auf das Spiel setzen von bereits erworbenen Eigentum.“

3. Da aber mit der Tilgung von Krediten immer wieder Geld verschwindet – oder vernichtet wird – bedarf es immer wieder neuer Kredite und damit neuer Verschuldungen, damit ausreichend Geld vorhanden ist.

4. Ausreichend heißt dabei: Es muss soviel Geld vorhanden sein, dass die angebotene Waren- und Dienstleistungsmenge einer Periode zu Preisen verkauft werden kann, welche die Erzeugungskosten plus einem Zuschlag für Risiko und Gewinn plus einem Zuschlag für die Verzinsung der Fremdfinanzierung enthalten.

Dieses gilt nun aber nicht nur für ein einzelnes Unternehmen, sondern auch für alle Unternehmen zusammen, also der gesamten kapitalistischen Unternehmung.

5. Auf Dauer kann die kapitalistische Geldwirtschaft nur dann funktionieren, wenn gesamtwirtschaftlich die Gewinne dominieren, also ein positiver Gewinnsaldo entsteht. Besteht nur eine Gleichwahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust, würde niemand das Risiko auf sich nehmen, welches mit dem Einsatz von Eigenmittel verbunden ist.

6. Daraus ergibt sich nun als der entscheidende Punkt die Notwendigkeit der fortgesetzten Ausweitung der Geldmenge.

Bei stets gleichbleibender Geldmenge können die erzeugten Güter und Leistungen später im Schnitt auch nur zu Preisen verkauft werden, die ihren Kosten ohne jegliche Zuschläge entsprechen. Jeder Euro aber, der dann auf der einen Seite als Mehrertrag, als Gewinn einsteht, muss auf der anderen Seite zu einem Verlust führen.
„Die ‚List der Vernunft’, die im geldwirtschaftlichen System wirkt“ - so H. C. Binswanger (11)- „besteht nun darin, dass sich die Produzenten durch die Aufnahme von Krediten aus dem neugeschöpften Geld gleichzeitig die (zusätzliche) Nachfrage schaffen, die nötig ist, damit sie ihre Waren mit Gewinn absetzen können. Die Kredite werden ja dazu benützt, Löhne und Eigentümerrenten zu bezahlen, also zusätzliches Einkommen entstehen zu lassen, und zwar bevor die Waren auf den Markt kommen.“ Mit diesen werden ja die schon fertigen Produkte - die schon früher mit geringerem Geldeinsatz hergestellt wurden - nun gekauft. Und sie können ob des höheren Einkommens auch mit Preisen gekauft werden, die höher sind als der Kosten von gestern

Die kapitalistische Wirtschaft - die Geldwirtschaft - braucht also zwingend ein genügend großes Wirtschaftwachstum. Nur wenn der Gewinnsaldo positiv ist, ist die Wahrscheinlichkeit genügend größer als 1, dass die Mehrheit der Betriebe Gewinne – und keine Verluste – machen.
Der Antrieb unserer Wirtschaft fängt also bereits dann zu stottern an, wenn ein Wachstum der für Netto-Investitionen ausgegebenen Gelder zwar noch vorhanden, aber schon zu gering ist.

7. Es gehört zum Wesen eines Unternehmens, welches seine Produktion über Kredite vorfinanziert, dass es einen Ertrag abwirft. Zur Absicherung der Kredite dienen die Eigenmittel (Eigenkapital), welches im Falle eines Verlustes teilweise oder ganz verloren geht.

In der Unternehmensbilanz drückt sich dies in einer Minderung bis zum Verlust der Eigenmittel aus.

8. Makroökonomisch zwingt dies zu einem (genügend großen) Wirtschaftswachstum, da nur bei einem (genügend großen) positiven Gewinnsaldo die Wahrscheinlichkeit, keinen Verlust an seinem bereits erworbenen Eigentum zu erleiden, (genügend) größer als 1 ist.

9. Makroökonomisch steht ein positiver Gewinnsaldo gerade nicht in Konkurrenz zu einer hohen Lohnsumme, sondern setzt letzteres ersteres voraus.

Es wird hier darauf aufmerksam gemacht, dass dieses nur makroökonomisch so gilt.

10. Eine stationäre Wirtschaft, bei der mit dem gleichen Geldeinsatz immer wieder gleich viel erzeugt wird, kann eine Sicherheit des für die Kredite hinterlegten Eigentums gleich oder größer als 1 nicht gewährleisten.

Die Geldwirtschaft ist ein hochkomplexes dynamisches System höherer Ordnung - so wie ein Flugzeug. Dieses braucht die Fortbewegung, so es einmal vom Boden abgehoben hat, nicht nur zur Zielerreichung, sondern auch zur Aufrechterhaltung des aerodynamischen Auftriebs – und damit des Systems „Fliegen“. Es wäre zerstörerisch hier in Kategorien des hydrostatischen Auftriebs zu handeln. Ein Schiff geht nicht unter, weil es sich nicht mehr vorwärts bewegt, ein Flugzeug aber stürzt dann - schon lange vorher - ab. Die kritische Geschwindigkeit liegt ja weit oberhalb der Null-Geschwindigkeit - abhängig vom Flugzeugtyp. Für ein modernes Verkehrsflugzeug wesentlich höher als für einen Doppeldecker.
Ähnliches gilt auch in der Wirtschaft. So braucht die moderne Geldwirtschaft heute des wirtschaftlichen Wachstums - und die kritische Wachstumsrate liegt weit jenseits eines Null-Wachstums. Die hierfür erforderlichen Netto-Investitionen bringen das zusätzliche Geld in das System hinein, das notwendig ist, um Zinsen und Gewinne überhaupt bezahlen zu können. Und die Gewinne sind wiederum notwendig, um das System vor dem Absturz zu bewahren.
Solange hier keine andere Möglichkeit gefunden wird, das System aufrecht zu erhalten, stellt sich also die Frage gar nicht, ob man das Wachstum mag oder nicht mag. Derzeit muss es sein, wie die Ökonomen ja täglich sagen.


J. Aktive Konjunkturpolitik heute
Subventionierung der Gewinne und der Zinserträge

Es sind dies Einsichten, welche die Wirtschaftspolitiker und – berater schon lange zu entsprechenden Handlungen veranlassen, wie wohl sie die Theorie nicht zur Kenntnis nehmen. Dass die Wirtschaft wachsen muss, betonen sie zwar ständig, die Frage, warum dies so sei, ist aber noch nie beantwortet worden. (12)
Diese so veranlassten Handlungen sind bekannt unter den Titeln:
angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, bzw.
nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik

Die angebotsorientierte Politik basiert auf der noch immer und nahezu ausschließlich gelehrten neoklassischen Theorie vom Wirken der unsichtbaren Hand des Adam Smith. Danach sind Wirtschaftskrisen durch Störungen des Gleichgewichts der relativen Preise (13) insbesondere im Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit verursacht. Die Unternehmer investieren nicht mehr, weil die Gewinne im Verhältnis zu den Löhnen zu gering sind.
Deshalb versucht nun der Staat durch Senkung der Unternehmenssteuern den relativen Preis für Kapital anzuheben, damit die Investitionstätigkeit wieder anzukurbeln, und hofft, die auf der einen Seite verminderten Steuererträge durch Zunahme der Arbeitsplätze und der dabei anfallenden Steuern und Erträge mindestens kompensieren zu können. Ansonst bleibt der Staat passiv.
Soweit die Theorie dieser passiven Konjunkturpolitik.
Durch die vermehrte Aufnahme von Krediten verbessert sich auch die Gewinnsituation der Geschäftsbanken. Dabei schafft sich die Wirtschaft das nötige Geld selbst in einem Zusammenspiel von Produktions- und Bankensektor.

Bei der nachfrageorientierten Politik wird zwar von der gleichen Theorieschule ausgegangen, doch ist der Glaube an die invisible hand stark relativiert. Seit J. M. Keynes ist der Staat gehalten, aktive Konjunkturpolitik zu betreiben. Er ist es nun, der Kredite aufnimmt, um damit zusätzliche Arbeitsplätze und zusätzliche Nachfrage zu erzeugen.
In diesem Fall werden die Gewinne zu über eine Verschuldung des Staates subventioniert.

1. Bei der passiven wie auch der aktiven Konjunkturpolitik geht es um die Sicherung eines ausreichend hohen makroökonomischen Gewinnsaldos, um so die Unternehmen mittelfristig wieder zu eigenen Netto- Investitionen zu veranlassen.

Befürchtungen wegen einer besonderen Inflationsgefahr durch das zusätzlich in den Umlauf kommende Geld werden dabei mitunter geäußert, doch wird andererseits davon ausgegangen, dass eben auf Finanzierungsüberschüsse zurückgegriffen wird, der Staat also nur das Geld, jene Ersparnisse aufnimmt, welche die Wirtschaft nicht aufnimmt. Eine Inflation könne also nicht entstehen, denn eine Finanzierung des Defizits über die Zentralbank und damit über die Notenpresse – so der Gedankengang – ist dem Staat untersagt.
Nach unseren Einsichten kann es diesen Finanzierungsüberschuss nicht geben, solange überhaupt noch ein Wachstum vorhanden ist. Bei jedem Wachstum muss ja auf zusätzliche, d.h. neugeschöpfte Kredite zurückgegriffen werden, welche die Geschäftsbanken – wie gesagt – aus dem Nichts schöpfen.
Wenn jedoch dieses Wachstum nicht ausreichend ist, um einen ausreichend hohen positiven Gewinnsaldo hervorzubringen, dann muss oder soll der Staat eingreifen. Ebenfalls mit Krediten aus dem Nichts.
Damit aber wird die Begründung, warum der Staat keine Zentralbankkredite aufnehmen darf, ad absurdum geführt. Denn auch die Geschäftsbanken setzen eine – virtuelle - Notenpresse in Gang. Die Begründung des Verbots von Zentralbankkrediten direkt an den Staat ist also nur (Zweck-?) Legende.

So werden bei dieser Politik nicht nur die produzierenden Unternehmen subventioniert. Die Geschäftsbanken können über die Kreditzinsen, die zu Lasten des Staatsbudgets gehen, mit profitieren. Ein Geld, das sich die Wirtschaft nun aber nicht selbst über zinsbelastete Kredite besorgt, sondern dies dem Staat tun lässt.

2. Der Staat verschuldet sich bei der Bankenwirtschaft Geld, um mit diesem Geld die Gewinne der Produktionswirtschaft und die Zinserträge der Bankenwirtschaft zu subventionieren.

Natürlich sollte man meinen, dass sich der Staat bemüht, dieses Defizit wegen der Finanzierung über verzinsliche Kredite möglichst gering zu halten. Doch war das nicht immer so, wie der berühmt-berüchtigten Sager eines früheren österreichischen Bundeskanzler zeigt.


Anmerkungen

11. H. Ch. Binswanger, Geld & Natur, S. 102ff
12. Binswanger zitiert den Schweizer Wirtschaftsjournalisten Werner Vontobel. Der sagt, bei der Diskussion mit Mainstream-Ökonomen über wirtschaftliches Wachstum ist eines immer sofort unbestritten: Wachstum muß sein, und nicht zuwenig, weil einem sonst die anderen überholen, wir Marktanteile und Arbeitsplätze verlieren, aber auch nicht zuviel, weil sonst die Wirtschaft überhitzt, national dann die Wirtschaft bremsen muß. Dieses Credo kommt so schnell, dass man als kritischer Zuhörer den Verdacht schöpft, dieses ..... kommt unter Umgehung der Großhirnrinde direkt aus dem Stammhirn bzw. aus den Nervenzellen des Rückenmarks.
13. Relative Preise sind Preise, die sich nicht in Geld ausdrücken, sondern im Wert von Waren untereinander, also etwa ein Tisch in soundso viel kg Brot. Erst später, wenn alles schon gelaufen ist, wird das in Geld ausgedrückt. Deshalb ist Geld „neutral“.

Geld & Geldwirtschaft, Teil 6: Wege im Neuland


K. Ein erster Schritt: Aktive Konjunkturpolitik anders:
Zueignung der Zentralbank an den Staat statt verzinlicher Kredite

Nochmals: Wenn wir davon ausgehen, dass das Wirtschaftswachstum mit den dazu gehörigen Netto-Investitionen nicht genügend groß ist, dann kann eine aktive Konjunkturpolitik nicht auf Finanzierungsüberschüsse, auf Krediten aus Ersparnissen, zurückgreifen. Es sind neue, zusätzliche Kredite aus dem Nichts zu schöpfen, um dem Staat das Geld für eine aktive Konjunkturpolitik zur Verfügung stellen zu können.
Sie werden heute von den Geschäftsbanken gechöpft.Für diese aber sind von den Geschäftsbanken auch keine Habenzinsen zu zahlen, wie wir bereits dargestellt haben.

So stellt sich nun die Frage, warum diese Kredite nicht dem Staat von der Zentralbank gegeben werden. Diese liefert ja dann die Zinserträge wieder mehrheitlich an den Staat ab, so dass die Kredite so in etwa zinslos wären – gewissermaßen eine ewiger Kredit ohne Zinsbelastung, praktisch eine Art Zueignung.
Insoweit bringt das Vollgeld-System nicht mehr. Wohl können diese Kredite nur von der Zentralbank kommen. Und werden dafür verrechnete Zinsen von dieser mehrheitlich wieder an den Staat abgeführt. Warum aber trotzdem Vollgeld, hängt eng mit der Frage der Kontrolle der Geldmenge zusammen, auf die wir weiter unten eingehen werden.

Vorerst stellt sich die Frage: Warum überhaupt Zinsen, warum überhaupt Kredit, warum nicht gleich Zueignung? Die Zentralbank ist ja dieses Geld niemanden schuldig, da es mit dem Kredit aus dem Nichts geschöpft wurde? (14)

Mit dem Staat als Schuldner gibt es ja keine besonderen Bankenkosten, die zur Prüfung dessen Bonität anfallen, ist doch der Staat ein infallibler Schuldner, also einer, der praktisch nicht in den Konkurs gehen kann. Und tut er es trotzdem, bricht mit ihm das ganze Gebäude des Rechtsstaates und damit der Kredite und des Geldes zusammen. Wer anders vermeint, glaubt an weiland Münchhausen, der sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf zieht.

Und wenn es schon Gläubiger gibt, dann sind es nicht irgendwelche Geldvermögensbesitzer, denen die Forderungen gegen den Schuldner „Staat“ zukommen, sondern sind es die Lohnabhängigen. So sagt Joan Robinson: "Der Überschuss der Einnahmen aus dem Verkauf von Konsumgütern über deren Lohnsumme ist gleich der Lohnsumme im Investitionssektor. Die Gewinnspanne beim Verkauf der Konsumgütern hindert die Arbeiter daran, ihr gesamtes eigenes Produkt zu konsumieren und ermöglicht den Arbeitern im Investitionssektor, am Konsum teilzuhaben. Je größer der Investitionssektor ist, desto höher sind die Gewinnspannen und desto niedriger ist das Reallohniveau.“ (15)
Mit dem zusätzlich geschaffenen Geld werden zusätzliche Arbeitsplätze und zusätzliche Lohneinkommen geschaffen, die gleichfalls nach den bereits fertigen Konsumgütern Nachfrage halten. Die Arbeiter im Konsumgüterbereich müssen also mit ihren Kollegen im Investbereich teilen. Das Reallohnniveau sinkt damit, aber das Gesamteinkommen insgesamt steigt. Den Konsumgüterproduzenten aber ermöglicht das vergrößerte Nachfragevolumen zudem, einen Überschuss aus dem Verkauf ihrer Güter zu erzielen, d.h. Gewinne zu schreiben.

So wird nun vorgeschlagen:

1. Die vom Staat betriebene aktiven Konjunkturpolitik wird nicht mehr über verzinslichen Krediten finanziert, sondern mit Zueignungen von Geld seitens der Zentralbank.

Über die Höhe dieser Zueignung entscheidet allein die Zentralbank. Sie ist so auszulegen, dass dabei die Kaufkraft des Geldes weder sinkt noch steigt.

2. Diese aktive Konjunkturpolitik über Zueignung von Geld an den Staat an Stelle von verzinslichen Krediten setzt nun durch die fehlenden Zinszahlungen ein gewisses Selbstregulativ hinsichtlich der Höhe des zusätzlich aufgenommenen Geldes außer Kraft. Befürchtungen, dass damit einer zügellosen Ingangsetzung der „Notenpresse“ Tür und Tor geöffnet werden, bestehen. Um diese Befürchtungen zu zerstreuen, ist nach anderen Möglichkeiten einer strengen Kontrolle zu suchen (16)

3. Joseph Huber schlägt dazu vor, die Zentralbank als vierte Gewalt im Staat – neben Legislative, Exekutive und unabhängiger Gerichtsbarkeit – weiter auszubauen und wie letztere strenge Unabhängigkeit genießt, aber voll verantwortlich ist für die Konstanthaltung der Kaufkraft des Geldes. Das heißt: Sie muss die Geldmenge so steuern, dass weder Inflation noch Deflation des Geldwertes eintreten.

4. Die Zentralbank wird als streng unabhängige staatliche Institution eingerichtet, mit dem Recht, allein Geld zu schaffen, die Kontrolle der Kaufkraft des Geldes auszuüben und die dazu befugt ist, in Verfolgung dieser Aufgabe dem Staat Geld in Form von Zueignungen zuzuschießen bzw. als Einbehalt zurückzufordern. (17)

Die Zueignung dient zur Vermeidung von Deflation. Es versteht sich, dass zur Vermeidung einer Inflation die Zentralbank auch das Recht und die Macht haben muss, beim Staat Geld aus Steuereinnahmen einzubehalten.


L. Ein Mix aus Kreditgeld und Kaufgeld
Über die Teilhabe des Staates am Sozialprodukts über Kaufgeld

Der Vorschlag einer Zueignung von Geld an Stelle der Kreditaufnahme durch den Staat wurde bisher aus konjunkturpolitischer Sicht besprochen. Wir können den Vorschlag aber auch als ersten Schritt zur – zumindest teilweisen – Einführung eines Tausch-oder Kaufgeldes (18) sehen, also eines Geldes, das nicht über Kredite entsteht.

Der Staat finanziert sich derzeit über Steuern und Abgaben, die allesamt die Unternehmen als Aufschläge auf ihre Herstellkosten einrechnen und so wie diese vorfinanzieren müssen. Letzten Endes werden damit die Herstellkosten der Konsumwaren – und damit deren Preise dementsprechend erhöht. Dies führt dazu, dass die Arbeiter im Konsumgütersektor ihr Produkt nicht mehr allein kaufen können, sondern mit all denen teilen müssen, die dann über diese Steuern und Abgaben ihre Geldeinkünfte erhalten.
Eine Frage stellt sich jedoch hier: Warum wird das so kompliziert gemacht? Warum muss nicht nur die zukünftige Produktion und der Handel, sondern auch jener Sektor der Gesellschaft, der seine Leistungen nicht über den Markt einbringt, sondern in Form der Leistungen des Rechts-, Bildungs- und Infrastrukturstaates schon eingebracht hat, und unverzichtbare Voraussetzung für das Funktionieren des Marktbereiches ist – warum also muss die Finanzierung dieses Sektos auch über Kredite erfolgen? Hier geht es nicht mehr um einen erst in Zukunft zu erwartenden Erfolg, also um Kredit. Die über Kredite finanzierte, noch den Erfolg suchende Produktion steht bereits auf diesem Fundament, das nicht erst über einen kreditfinanzierten Vorgang hergestellt werden muss.

Anders gefragt: Warum können der Staat und seine Institutionen nicht auch – aber nicht ausschließlich – direkt auf einen Teil des Sozialproduktes zugreifen, wozu ihm von der Zentralbank in streng kontrolliertem Ausmaß Geld in Form einer Zueignung zur Verfügung gestellt wird, womit er dann Leistungen und Produkte zukaufen kann? Warum muss ein Unternehmen zuerst Kredite aufnehmen, damit es seine Steuern bezahlen kann, damit dann mit diesen der Staat dem Unternehmen wiederum einen Teil seiner Leistungen abkaufen kann? Um so seine Schulden wieder zu tilgen, darüberhinaus aber auch noch Zinsen zu zahlen.

Sicherlich ist zu bedenken, dass die Kreditverpflichtungen die Unternehmen zu einer rentable Produktion verkaufbarer Waren verpflichtet. Auch die Kreditverpflichtung, die hinter den Steuern und Abgaben steht. Sicher kann auf diese Motorik nicht verzichtet werden. Aber es stellt sich schon die Frage, ob alles diesem Motor überlassen, ob der Antrieb so stark sein muss. Es stellt sich also die Frage, ob nicht ein Teil der Produktion mit Kaufgeld statt mit Kreditgeld gekauft werden könnte. Also mit Geld, das der Staat direkt von der Zentralbank bezieht. Nicht als Kredit. Sondern als Kaufgeld. Die vorhandene Geldmenge wäre dann nicht mehr allein von der Investitionsbereitschaft der Unternehmen abhängig, sondern würde auch mitbestimmt von einem über direkte Käufe in die Wirtschaft gekommenen Geld. (19)
Auf diese Weise begleichen die Unternehmen gewissermaßen einen Teil der Steuern in Natura, erhalten dafür aber Geld, das sie in die Lage versetzt, ihre in der Vergangenheit eingegangenen Kredite zu tilgen und einen, das unternehmerische Überleben sichernden Gewinn zu machen.
Mit diesem, auf das Preisniveau bedachten lateralen Zugriff des Staates scheint eine Aufrechterhaltung der Motorik der Kredit- und Geldwirtschaft auch bei mangelndem oder gar Nullwachtum möglich.

Gehen wir beispielhaft davon aus, dass die Lohnsummensteuer abgeschafft wird, was vor allem den arbeitsintensiven Unternehmen zu Gute kommt, wobei der Ertrag dieser Steuer durch ein GeldZueignung an die damit bedachte Gebietskörperschaft ersetzt wird. Die Unternehmen können jetzt mit geringeren Kosten erzeugen, wodurch die von den Unternehmen aufzunehmenden Kredite – die aus dem Nichts geschöpft werden – sinken können. Die Neuverschuldung der Unternehmen beginnt also zu sinken. Die Nachfrage nach den bereits fertigen Gütern wird aber ob des zusätzlichen Geldes aus der Zueignung gleich hoch wie früher bleiben, so dass die Unternehmen in etwa zu den alten Preisen verkaufen können, die so nun weiter über ihren Gestehungskosten liegen. Damit tritt nun keine Inflation ein, sondern erhalten die Unternehmer weiterhin jene Einnahmen, mit denen sie in der Lage sind, ihre alten Kredite samt Zinsen zu tilgen. Und grosso modo auch noch einen Gewinn schreiben können.
Damit aber wird nun erreicht, dass die alten Schulden der Unternehmen nicht mehr mit höheren neuen Schulden getilgt werden müssen, sondern dass die Neuverschuldung im Vergleich zur Altverschuldung nun auch sinken kann.

Damit ergibt sich folgende Einsicht

1. Die Kreditwirtschaft hat die Entwicklung der hochproduktiven industriellen Gütererzeugung unterstützt oder sogar erst ermöglicht, so dass heute in der Realwirtschaft kein Mangel an Produkten, sondern nur an Geld besteht.

2. Das Produkt der Arbeiter im Konsumgüterbereich wird derzeit über Steuern und Abgaben, welche die Unternehmen über Kredite finanzieren, auf alle Menschen einer Volkswirtschaft verteilt.

3. Damit aber wird auch die eher statische, bereits vorhandene Infrastruktur des Staates mit in die Dynamik der kreditfinanzierten industriellen Produktion hineingezwungen und die Notwendigkeit von wirtschaftlichem Wachstum noch weiter angeheizt.

4. Hier wird nun vorgeschlagen, teilweise an Stelle von Steuern das für diese Verteilung notwendige Geld dem Staat in kleinen Schritten direkt von der Zentralbank zur Verfügung zu stellen.

5. Die Kreditwirtschaft mit ihrer Motorik bleibt für die eigentliche Produktion weiter aufrecht, doch ist die Geldversorgung nun aber nicht mehr so sehr von der Investitionsbereitschaft der Unternehmen, also vom Wirtschaftswachtum, abhängig.

An dieser Stelle sei an Karl Marx erinnert, der meint, „die Frage ist nicht: Wo kommt der Mehrwert her? Sondern: Wo kommt das Geld her, um den Mehrwert zu versilbern? [...] Das in Form von Geldkapital vorgeschoßne zirkulierende Kapital von 500 Pfd. St. [...] sei das zirkulierende Gesamtkapital der Gesellschaft. Der Mehrwert sei 100 Pfd St. Wie kann nun die ganze Kapitalistenklasse beständig 600 Pfd. St. aus der Zirkulation herausziehn, wenn sie beständig nur 500 Pfd. St. hineinwirft?“ Und er antwortet etwas weiter unten: „In der Tat, so paradox es auf den ersten Blick scheint, die Kapitalistenklasse selbst wirft das Geld in Zirkulation, das zur Realisierung des in den Waren steckenden Mehrwertes dient. Aber nota bene: sie wirft es hinein nicht als vorgeschoßnes Geld, also nicht als Kapital. Sie verausgabt es als Kaufmittel für ihre individuellen Konsumtion.“ (Karl Marx, Das Kapital II, S. 330/331 ff)

Nun ist es allerdings nicht die Kapitalistenklasse, die jenes Geld als Kaufmittel für individuelle Konsumtion „hineinwirft“, sondern der Staat bzw. seine Bürger. Sie konsumieren, während die Unternehmer den monetären Mehrwert kassieren, mit dem sie ihre Schulden samt Zinsen bei den Geschäftsbanken tilgen können. Damit Schulden, aber vice versa Vermögen abbauen.


Anmerkungen

14. Die Bedeutung dieses Vorschlages wird am Bundesbudget der Republik Österreich verdeutlicht: Budget 2000 zwischen 700 und 800 Mrd. ATS. Die Bundesschuld (ohne Länder, Gemeinden, Sonderfinanzierungsgesellschaften) liegt bei 1650 Mrd. ATS. Von diesen wurden seit Mitte der 70-iger Jahre etwa 1000 Mrd. ATS für Zinszahlungen (vor Steuer) verwendet, der Rest zur Subventionierung der Gewinne (und Förderung der Arbeitsplätze). Der jährliche Zinsaufwand liegt 2001 bei 100 Mrd. ATS. Dieses Geld könnte bei Vollgeld-Zueignung für soziale und ökologische Ziele ausgegeben werden.
15. Joan Robinson, Über Keynes hinaus, S.99, Europaverlag, 1962
16. Diese Kontrolle ist bei dem seinerzeit ventilierten Vorschlag einer Zentralbankfinanzierung des Budgetdefizits nicht möglich, können doch die Geschäftsbanken weiterhin Geld schaffen und vernichten.
17. Solches schlägt Silvio Gesell bereits mit seinem Reichswährungsamt vor. Siehe dazu S. Gesell, Die natürliche Wirtschaftsordnung bzw. Das Reichswährungsamt.
18. Der Begriff „Kaufgeld“ bezieht sich darauf, dass dieses Geld nicht über einen Kredit, sondern einen Kauf in Umlauf kommt.
19. Silvio Gesell schreibt: Der zweite Widerspruch (der Emissionsreform von Flürschein) liegt darin, daß der Staat das Geld bei der Ausgabe selber nicht als Tauschmittel benutzte, es also nicht gegen Waren, sondern gegen Wechsel, Pfandbriefe oder sonstige Sicherheiten hergab. Und das Geld ist doch Tauschmittel, und als solches durfte es nur gegen Waren ausgegeben werden.” (GW9, 330ff, GW11, S. 202ff)